Jede Streaming-Anwendung basiert auf den Protokollen, die für die Datenübertragung im Internet entwickelt wurden. Hans Albrecht Lusznat hat für unserem Streaming-Schwerpunkt in der Ausgabe 7–8.2020 erklärt, wie diese Protokolle funktionieren.
(Bild: Veronika Hohenegger / LRZ)
Bereits das analoge Fernsehsignal war im Prinzip ein Signal-Stream mit hohen Anforderungen an einen genauen Zeittakt. Kleinste Zeitschwankungen im Signal, beispielsweise beim Abspielen von einem Videorekorder, führten zu Signalabriss und Bildstörungen. Die Digitalisierung und hochauflösende Bildraster in der modernen Fernsehtechnik haben daran prinzipiell nichts geändert. Streamen im heutigen Sinn bedeutet, ein kontinuierliches Bildsignal in eine IT-gerechte Form zu wandeln, um es über Netzwerke wie das Internet annähernd zeitgleich zu verbreiten und auf den Endgeräten darzustellen.
Im Gegensatz zum Upload und Download von Videodateien wird beim Streamen ein Speichern der Inhalte überflüssig. Man sieht den Film sofort, während der Server kontinuierlich die nächsten Daten hinterherschickt. Dennoch bleibt beim Streamen die traditionelle Hierarchie zwischen Sender und Empfänger erhalten, wobei in der IT-Umgebung beim Sender von Server und Empfänger von Client gesprochen wird. Streamen bietet aber vielfältige Beziehungsmöglichkeiten zwischen den Kommunikationspartnern, die von zeitlich anberaumter Programmausstrahlung über den Abruf von Inhalten bis zur interaktiven Kom- munikation vieler Teilnehmer reicht. Das größte Problem der Streaming-Technologie ist die Anpassung der Datenmenge pro Zeit an die Netzwerkkapazitäten, die je nach Traffic im Netz einem dauernden Wandel unterworfen sind. Ist die Datenmenge pro Zeiteinheit eines Streams zu groß für die Kapazität der vorhandenen Leitung, kommt es zu einer Unterbrechung beim Empfänger. Es gibt Streaming-Techniken, die zur Vermeidung von Unterbrechungen die Leitungskapazität berücksichtigen und den Stream in Qualität und Datenmenge entsprechend anpassen.
Streaming ist historisch gesehen eine relativ neue Möglichkeit der Verbreitung von Bewegtbild. Vor ziemlich genau 15 Jahren hat Jawed Karim den ersten 18-Sekunden-Film bei YouTube hochgeladen: „Me at the Zoo“. Heute kommen bei YouTube jede Minute 400 Stunden neues Videomaterial hinzu. Filminhalte im Internetdatenverkehr machen inzwischen mehr als 80 Prozent des Gesamtaufkommens aus.
Protokolle
Beim Streamen werden Videobild- und Toninformationen übertragen. Das gab es so auch schon im Fernsehstudio. Für das Streamen müssen die Video- und Audiosignale des Studios aber in die Computer- und Netzwerk-Welt transferiert und so gewandelt werden, dass sie sich wie andere Daten auch über das Internet verschicken lassen. Dazu müssen sie in den Protokollablauf der Internetkommunikation eingeordnet werden. Das geschieht heute in Encodern, die mit SDI- und HDMI-Eingängen ausgestattet sind, die Eingangssignale in internetgerechte Datenpakete wandeln und per Netzwerk- oder USB-Anschluss direkt oder über einen Host-Computer ins Internet streamen.
Wie die Umwandlung erfolgt und wie die Internet fähigen Videosignale auszusehen haben, beschreiben sogenannte Netzwerkprotokolle. Der Definition nach ist ein Protokoll eine Vorschrift, die entlang einer Zeitachse eine Reihenfolge von Handlungen und Vorgängen in Abhängigkeiten von Bedingungen definiert. Das Protokoll für ein Telefongespräch würde so aussehen:
Abnehmen des Hörers und automatisches An- melden im Telefonnetz mit Freizeichen
Definition des gewünschten Teilnehmers durch Wählen der Nummer
Der Rufton signalisiert die Anfrage beim Teil- nehmer
Abheben des Teilnehmers signalisiert Emp- fangsbereitschaft
Der Teilnehmer identifiziert sich mit seinem Namen
Anrufer identifiziert sich mit seinem Namen
Die Kommunikation in Gesprächsform beginnt wechselseitig
Das Internet ist ähnlich wie ein Telefonnetzwerk aufgebaut. Alle Teilnehmer werden durch eine IP-Adresse identifiziert. Wie die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilnehmern zustande kommt, beschreibt ein Protokoll. Allgemein bekannt ist das HTTP-Protokoll (Hyper Text Transfer Protokoll), 1991 vorgestellt und die Grundlage der Internetkommunikation. Für das Verschicken von Videodateien gibt es spezielle Protokolle.
Aktiv einen Video-Audio-Stream an eine Streaming- Plattform zu senden, lässt sich heute relativ benutzerfreundlich realisieren. Wenn sich der Nutzer bei der Plattform erfolgreich registriert hat, bekommt er einen Usernamen und ein Passwort. Um einen Live-Stream zu starten, fordert er mit seinen Zugangsdaten eine Stream-URL und einen Stream-Key an. Mit diesen beiden Angaben kann man vom Hostrechner, über den der Stream abgewickelt werden soll, den Stream einrichten, eine Preview zur Kontrolle sehen, festlegen, wer den Stream sehen können soll und dann den Stream live schalten. Das ist das typische Vorgehen für das Streamen über Plattformen wie YouTube Live, Facebook oder Twitch. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, zielgerecht zu einem einzelnen Empfänger zu streamen, oder eine Gruppe von Empfängern zu einem Streaming-Event einzuladen. Dazu gibt es diverse Programme, die das Einrichten und Durchführen einer Streaming-Session ermöglichen. [12822]