Was würdest du jemanden raten, der gerade dabei ist, ins Filmmetier einzusteigen, und hier in die Sparte Dokumentation und hier wiederum Berg- und Naturfilm?
Er muss sehr risikofreudig sein, weil es Nischen gibt – ich bin reingekommen, weil es eine Nische war und weil ich mich getraut habe, das zu machen. Es gibt viele Nischen. Und wenn er diesen Willen hat, dann würde ich sagen: „Mach’s! Und prüfe dich, worum es dir dabei wirklich geht. Willst du berühmt werden, oder ist für dich das Tun selbst das Wertvolle?“
Nur, richtige Dokumentarfilme, glaube ich, gibt es gar nicht mehr. Ich hab das mal beim ZDF erlebt. Wir haben Arbeiter in Indien auf ihrem Feld gefilmt, die hatten ganz normale T-Shirts an. Und dann hieß es, dass sie ihre Trachten anlegen müssten. Ich denke inzwischen, das ist schlecht geworden am Dokumentarfilm. Von der Redaktion aus wird festgelegt, was vor der Kamera stattzufinden hat. Was ich auch als schlimm empfinde, ist, dass man meint, immer Superlative filmen zu müssen. Wir brauchen immer etwas ganz Besonderes! Ich bin da ganz anders: Meine Erfahrung geht dahin, dass einfache Menschen unheimlich viel vermitteln können. Deswegen schätze ich einfache Menschen vor der Kamera sehr viel mehr als Bekannte und Prominente. Ein Beispiel: Ich war mit einem Bergführer unterwegs und unsere Hauptperson war ein Hotelier. Der war damals schon gut über 70. Der Louis Pirphammer. Hoppla, habt ihr nicht noch einen älteren?! Aber das war so ein toller Mann! Es war ein Erlebnis, mit ihm unterwegs zu sein. Als 14-Jährigen hatte man ihn in seiner Jugend nach Paris in ein Hotel als Liftboy geschickt, damit er Französisch lernt. Auf der Hütte hatte er dann mit anwesenden Franzosen geplaudert. Es gibt Menschen, die sind wie ein Gesamtpaket. Wenn du mit denen unter- wegs bist, und du bist nicht total daneben, dann wirst du mit ihnen ein Erlebnis haben.
Man überbietet sich gegenwärtig mit den Aufzeichnungsleistungen. Man hat 2K gehabt, jetzt ist man bei 4K, 8K kommt auf. Ich habe eine Meinung gehört, der zufolge diese superscharfen Bilder als hyperrealistisch empfunden werden. Wie stehst du zu dieser technischen Entwicklung?
Unlängst hatte Arte einen Themenabend über Kuba. Ich selbst hatte dort schon einmal gedreht. An dem Abend wurden zwei Filme gezeigt. Einer davon wurde mit der 2/3-Zoll-Optik produziert, der andere wurde mit dem Super-35-Chip aufgenommen. Die Bilder, die die aufzeichnen, wirst du selbst in natura nie sehen. Was mit der 2/3- Zoll-Kamera aufgezeichnet wurde, schon eher, aber was die Kameras mit dem 35-mm-Chip aufzeichnen, hat schon fast etwas Surrealistisches an sich. Das ist für das Dokumentarische aber schon fast ein Verlust, weil es eine Welt suggeriert, die so nicht ist. Ich könnte natürlich sagen: Ja, das ist ja gerade das Künstlerische, und die Bilder sind auch fantastisch, aber diese Kunst ist eben künstlich. Die Frage ist, wie weit vertraue ich dem Menschen? Wenn ich über ein Bild, so wie es ist, etwas vermitteln will und das Bild reicht nicht aus, dann stimmt irgendetwas anderes nicht. Bei den superschönen Bildern geht die Fokussierung weg vom Inhalt. Selbst bei sehr großen Kontrasten habe ich da noch durchgezeichnete Bilder, was bei meinem 2/3-Zoll-Chip bescheiden aussieht. Für die Arbeit im Gebirge sehe ich das ebenfalls problematisch. Du brauchst mit dem 35er-Chip mindestens doppelt so lang für die ganzen Einstellungen. Mit dem Zoom und mit dem Weitwinkel kann ich so viel verschiedene Bilder machen, und ich bin im Vergleich zu denen mit ihrem 35er-Chip viel schneller. [7543]
Im ersten Teil des Interviews erfahren Sie, wie Sepp Wörmann vom fast beamteten Fernmeldetechniker zum Bergkameramann wurde.