Anzeige
Anzeige
DoP Bernhard Wagner und Regisseur Matthias Zirzow über achtteilige-Dokuserie

Krieg erklären, ohne wehzutun

„Der Krieg und ich“ erzählt den Zweiten Weltkrieg für Grundschulkinder. Das eingespielte Duo aus Regisseur Matthias Zirzow und DoP Bernhard Wagner berichtete uns in der Ausgabe 9/2018 über die dokumentarische Drama-Serie und deren historischen Dreh, der in sechs verschiedenen Ländern spielt. Als ganz eigenes Element geben kleine Figuren der Protagonisten in Modell-Landschaften einen Überblick über das Geschehen.

(Bild: SWR/Looksfilm Andreas Wünschirs)In acht Teilen à 25 Minuten zeigt „Der Krieg und ich“, wie acht Kinder aus unterschiedlichen europäischen Ländern den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Der Regisseur und sein DoP stellten sich der großen Herausforderung, diese Zeit kindgerecht zu erzählen – ohne sie zu verharmlosen. „Obwohl kein einziger Schuss fällt und keine einzige Nase blutet, erzählen wir von der schlimmsten Zeit im 20. Jahrhundert“, sagt Bernhard Wagner. Regisseur Zirzow kannte die grundsätzliche Problematik bereits von der Serie „Kleine Hände im großen Krieg“, die den Ersten Weltkrieg für dieselbe Zielgruppe behandelte. „Der Zweite Weltkrieg war schlichtweg viel grausamer und komplexer“, betont Zirzow, der bei dieser 2. Staffel auch mit an den Drehbüchern schrieb: „Erst recht, wenn wir Kindern Hitler und Stalin erklären wollen.“ Ein zehnjähriger Junge aus Polen versucht beispielsweise, seine Familie aus dem Ghetto zu retten; ein Kindersoldat aus Deutschland glaubt, seine Heimat verteidigen zu müssen und ein 12-jähriges französisches Mädchen und ihre Familie verstecken deutsche Flüchtlinge – mit allen weitreichenden Folgen. Der Gesamtbogen der Staffel folgt dem Verlauf des Zweiten Weltkriegs.

KONZEPTION MIT WISSENSCHAFT

(Bild: SWR/Looksfilm/AndreasWünschirs)„Wir bewegen uns mit dieser Serie zwangsläufig auf Messers Schneide – zwischen einer möglichen Traumatisierung unseres Publikums und der Gefahr unglaubwürdig zu werden, falls die komplexen Zusammenhänge des Zweiten Weltkrieges zu stark vereinfacht werden“, das weiß Regisseur und Autor Zirzow. Daher ließen die Produktionsfirma Looksfilm gemeinsam mit dem federführenden SWR zwei der acht Plots wissenschaftlich testen. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfern- sehen (IZI) forscht seit 1963 international über die TV- Rezeption von Kindern. Bei „Der Krieg und ich“ führte das IZI Drehbuch- bzw. Treatmentlesungen mit 80 Kindern in der Altersstufe 9 bis 11 durch. Die Ergebnisse der Untersuchung flossen direkt in die Buchentwicklung ein. Für die Ausstrahlung auf dem KiKa war von vornherein klar, dass die Serie eine FSK-6-Freigabe bekommen muss.

GROSSE INSZENIERUNG, SCHMALES BUDGET

Matthias „Matti“ Zirzow und Bernhard Wagner realisierten zusammen bereits zahlreiche Folgen der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ seit 2011. Wegen Terminüberschneidungen konnte Wagner bei der ersten Staffel über den Ersten Weltkrieg für den Regisseur nicht die Kamera übernehmen. Der DoP war zunächst aber auch skeptisch, ob die Qualität der szenischen Bilder bei einem dokumentarischen Projekt überzeugend sein würde. „Dann war ich von ‚Kleine Hände‘ richtig angetan und berührt“, sagt Wagner „Mir war klar, falls mich Matti wieder fragt, bin ich dabei!“ Looksfilm hat in den letzten Jahren mehrere aufwändige Mehrteiler und Serien zu historischen Themen produziert, die als „Mischformate“ mit dokumentarischen Anteilen vor allem historische Dramaserien sind. So wurden auch bei „Der Krieg und ich“ die Sprechrollen alle von einem arrivierten Erwachsenencast gespielt, unter anderem Florian Lukas („Weissensee“, „Good Bye Lenin!“) oder Jutta Wachowiak („König Drosselbart“, „Nikolaikirche“, „Soko Leipzig“). Die Kinder wurden aufwändig gecastet und teilweise übernahmen sehr kameraerfahrene Kinder wie Arved Friese („Timm Thaler“) die Rollen.

Regisseur Zirzow stellt fest: „Kinderserien bekommen im Vergleich zu Erwachsenenformaten leider kein großes Budget!“ Darum war schon bei der ersten Staffel „Kleine Hände im großen Krieg“ die Modellwelt eingefügt worden, um damit die aufwändigen historischen Totalen erzählen zu können. Gleichzeitig nutzte der Regisseur alle Chancen zur Vorbereitung, die möglich waren. Die Gründe für die Wahl der Kamera waren für Wagner recht pragmatisch: „Looksfilm besitzt eine Sony F55 – und ich habe mit der Kamera durchaus schon gute Erfahrungen gemacht.“ Wagner kennt die fast baugleiche F5 unter anderem von „Dr. Klein“ und „In aller Freundschaft“: „Für eine ALEXA hätte ich auf viele Sachen verzichten müssen, die F55 kostet nur ein Viertel. Wenn die Postproduktionshäuser mit dem Material umgehen können, weiß ich, was ich damit kriege.“ Wagner überlegte zunächst auf den Cooke Mini S4 zu drehen, weil man dort die Vor- der- und Hinterlinsen mit unvergüteten austauschen kann, für einen „schäbigen Look“. Klar war, dass die Hintergründe durch die Linsen so unscharf wie möglich sein sollten, damit der Aufwand für die historische Ausstattung geringer ausfiel. Letztendlich entschied sich Wagner für die ZEISS Highspeed 1.3: „Die haben einen weichen, angenehmen Look! Und wir hatten Motive, die sehr düster waren, wie eine große Scheune, und da wollte ich nicht mit Blende 2.8 an den Start.“ Wagner weiß, dass das eine Herausforderung für die Assistenten Martin Mikußies und Patrick Dielefeld beim Schärfeziehen war: „Aber wenn man das zulässt, kriegt das Material eine eigene Lebendigkeit.“ Zusätzlich hatte Wagner einen alten Angénieux- Zoom HR 25-250 mit dabei, aber am Ende waren die Umbauzeiten zu lang, um ihn häufig einzusetzen.

SCHNELLES WUNDER

(Bild: SWR/Looksfilm/Andreas Wünschirs)
Um das Pensum zu schaffen, wurde komplett mit zwei Kameras gedreht. „Wir haben zudem zu 80 Prozent mit Handkamera gearbeitet“, sagt Wagner, darum war ihm wichtig, dass er Julia Baumann als 2. Kamerafrau völlig vertraut. Beide drehten fast ausschließlich richtungsweise, um am schönsten und effektivsten Licht setzen zu können. „Julia und ich haben gleichzeitig auch immer Körperanschnitte gesucht. Bei vielen Regisseuren würde man sich damit unbeliebt machen, weil du damit auch Eier für den Schnitt legen kannst.“ Doch mit Zirzow ist diese Herangehensweise bereits eingespielt. Zirzow konzentrierte die Stellproben auf maximal 20 Minuten, und nur diese Zeit blieb DoP Wagner und Oberbe- leuchter Martin Handrow für die Anpassung des Lichts. Sie setzten eher Toplicht ohne seitliche Aufhellung, damit sie später mutig über die Achsen springen konnten. Meist folgte danach nur eine Kameraprobe – und dann wurde gedreht. „Korrekturen und Anschlüsse haben wir im Drehfluss arrangiert“, sagt der Regisseur. Dabei absolvierte das Team auch aufwändige Szenen mit Gesang. Bei einem Kampf und einer Verhaftung kam durchaus Action auf. Insgesamt beinhaltet jede Folge circa zwölf Spielszenen, das bedeutete zwischen sechs und zehn Minuten täglich zu drehen. „In vieler Hinsicht war es ein Wunder, dass wir alles geschafft haben“, sagt Zirzow. „Wenn es um die Entscheidung ging: Checken wir die Einstellung? Drehen wir sie noch mal? Wenn dafür andere Einstellungen rausgeflogen wären, haben wir lieber mehr Einstellungen gedreht“, erzählt Wagner. Nach nur 20 Tagen war der szenische Dreh Ende September 2017 abgeschlossen.

Wie Regisseur und DoP Modell-Landschaften einsetzten, um ohne großes Budget historische Totalen zu drehen, können Sie morgen lesen.

[6111]

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.