Echtzeit Editing: Paul Machliss über das Schnitt-Setup von “Baby Driver”
von Redaktion,
Für “Baby Driver” zog Editor Paul Machliss mit seinem Avid Media Composer direkt ans Set. Im zweiten Teil des Interviews über seine Schnittarbeit am Actionfilm des Briten Edgar Wright erzählt Machliss, welches Setup er verwendete, und warum es ihn doch hin und wieder in den dunklen Schneidraum zog.
Paul, die Musik in “Baby Driver” ist eine Hauptfigur und ist immanenter Teil der Handlung. Wie habt ihr den Einsatz der Musik bei der Schießerei beim Waffenhandel erarbeitet?
Edgar hatte zuvor schon mit einem anderen Editor und einem Stuntteam ein Animatic der Szene erstellt. Darin war alles enthalten, wer feuern würde, wann er feuert und wie er feuert sowie was dabei auf der musikalischen Ebene passiert. Wenn die Schauspieler proben, hören sie die Musik und ihnen wird exakt gezeigt, wie sie schießen müssen. Wenn zum Beispiel Jon Hamm seine Waffe abfeuert, weiß er genau, der Musikeinsatz ist gleich „Badadabamm, Badadadabamm“, also emuliert er dies mit der Waffe.
Am Set war es also meine Aufgabe, sicher zu stellen, dass die alle das Richtige zur richtigen Zeit machen, damit die Schüsse auf den richtigen Beats des Drum-Solos landen. Es muss sich nahtlos anfühlen, als würde die Schießerei zufällig genau während des Schlagzeug-Solos stattfinden. Aber es heißt, das jeder am Set diesen Moment eingeübt hat. Von DoP Bill Pope über die Schauspieler bis zu den Teammitgliedern. Und hoffentlich passt dann im Schneideraum – oder am Set schon – alles zusammen und die Szene, die du seit zwei Jahren planst, funktioniert so. Ich fühle mich nur als ein Teil dessen.
Das sind ja sehr exakte Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Fühlst du dich davon eingeschränkt?
Ich denke, es ist so: Wenn der Dirigent Mozart dirigiert, dann bringt er seinen eigenen Stil da hinein. Aber es wäre sehr schräg, wenn er plötzlich der Violine sagt, sie solle jetzt was anderes spielen. Du kannst einen bestimmten Dirigenten heraushören, auch, wenn du die Symphonie kennst. Edgar dirigiert das Ganze. Sicher könnte man das als Einschränkung sehen. In diesen genau definierten Parametern zu arbeiten, ist für mich eine Herausforderung. Das ist nicht der einfache Weg, Szenen zu montieren. Du musst noch immer eine Geschichte in dieser Schießerei erzählen. Das heißt, du musst eine Reaktion hier hinein setzen, dann eine POV und immer wieder die Geografie der Szene etablieren. Damit das Publikum weiß, wer gerade auf wen schießt.
Was war dein technisches Setup bei „Baby Driver“?
Wir haben den ganzen Film auf einem AVID Media Composer 8.6.1 oder 8.6.2 geschnitten. Wir wollten eine Version, die möglichst sicher und stabil mit dem ISIS Shared-Storage-System arbeiten würde – in der letzten Editing-Phase. Das brauchten wir, weil wir parallel schneiden würden, mein Co-Editor Jonathan Amos, der VFX-Editor James Panting und unsere Assistenten. Bei so einem Projekt bleibst du bei einer Version und machst keine Updates.
In Atlanta hatten wir eine Suite von Schneideräumen, wo meine First und Second Assisstants waren. Das war wichtig, denn es gab auch Tage, an denen wir Dialoge und reguläre Szenen geschnitten haben. Da ist eine ruhige Umgebung ganz hilfreich, um das ganz altmodisch zu schneiden. Da konnte ich mich zurückziehen und in Ruhe arbeiten.
Am Set hatte ich einen Avid Media Composer auf einem Macbook, der an einen Avid Mojo angeschlossen war sowie einen Referenzmonitor. Ich hatte ein Wacom Tablet, das ziehe ich einer Maus vor und natürlich eine Tastatur. Als Speicher hatte ich einen 8-Terabyte-Drive, der mich überall hin begleitet hat, auf dem ich mein Material sammelte. Ein weiteres 500-Gigabyte-Laufwerk ging immer zwischen mir und meinem Editoren-Team hin und her, damit die schon mit dem echten Material arbeiten konnten.
Ihr habt ja größtenteils auf analogem Film gedreht. Wie hast du das Material so schnell bekommen?
Ja, Edgar ist ein großer Fan vom Drehen auf 35 mm. So haben wir etwa 90 Prozent des Films gedreht. Ich war direkt angeschlossen an den Video Assist und hatte eine Ethernet-Netzwerk mit dem Operator, dessen Speicherlaufwerk letztlich mein Speicherlaufwerk wurde. Er benutzte ein Programm namens Q-Take, das über die Videoausspiegelung der Panavision-Kamera ProRes-Files generierte. Wenn die Aufnahme vorbei war, tauchte in meinem Finder-Fenster auf dem Mac sofort der neue Clip auf. Hier erwies mir die AMA-Funktion des Avid große Dienste, weil es hieß, dass ich das Material nicht aufwändig importieren und transkodieren musste, sondern mir buchstäblich den Clip schnappte, ihn in die Bin zog und ihn in wenigen Sekunden in der Timeline hatte.
Das war das erste Mal bei einem von Edgars Filmen, dass ich eine so schnelle Reaktion auf das hatte, was wir drehten. Oft rief er „Cut!“ und fragte dann sofort quer über’s Set: „Paul, wie war das?“ Und plötzlich kapierte ich, dass jetzt Schauspieler, Crew und Produzenten alle auf ihre Uhren guckten und auf mich warteten! (lacht) Wenn ich dann wusste, das funktioniert, rief ich zu Edgar zurück: „Jepp, alles gut!“ und er machte weiter. Er wusste, er hat, was er braucht, weil er eine sofortige Rückmeldung von mir hatte. Produktion und Postproduktionen rückten so am Set näher zusammen. Das wurde zu einem integralen Bestandteil des Prozesses bei jedem einzelnen Shot.
Welche Funktionen des Avid waren denn am Wichtigsten für dich?
Das ist lustig! Wie schon gesagt, das AMA-Tool ist erstaunlich. Ich benutze es jetzt eine ganze Weile, die jüngste Version ist echt stabil. Ich hätte „Baby Driver“ nicht machen können, wenn ich mich darauf nicht hätte verlassen können. Und, naja, mein Setup beim Schneiden ist nie sehr anspruchsvoll. Ich nutze eigentlich eine Variation der Systemfunktionen, wie ich sie Mitte der 1990er kennen gelernt habe. Ich bin ein großer Fan der einfachen Funktionen, wie das Resize Tool oder das 3D Warp Tool. Der Rest ist Sache der FX-Abteilung.
Glaubst du, die digitale Revolution hat die Produktion flexibler gemacht?
Technologie heißt heutzutage, dass du von überall aus arbeiten kannst. Ob ich in Sidney bin oder in Japan, oder in den USA – ich kann den Job erledigen. Aber es gibt immer noch etwas Besonderes, was geschieht, wenn du echte, menschliche Wesen auf einem Stockwerk zusammen bringst. Du kannst mal eben rüber gehen, an der Tür klopfen und sagen: „Hey, ich hab’ mir folgendes überlegt …“ Und gerade Edgar arbeitet besonders gerne so! Aber Filme machen ist so eine persönliche Sache. Es ist wunderschön, diese ganzen Leute dazu haben, die sich gegenseitig dabei helfen. Wir kennen uns auch teilweise seit 20 Jahren und haben immer wieder zusammengearbeitet. Es ist großartig immer wieder Freunde und Kollegen zusammen zu bringen!
Wirst du bei Edgar Wrights nächstem Projekt wieder dabei sein? Wird es „Shadows“ sein?
Sobald Edgar entschieden hat, was das sein wird – ich glaube, das weiß er gerade noch nicht – hoffe ich, dass er mich anruft. Jetzt gerade nehme ich mir etwas frei. Ich habe erst vor Kurzem die Arbeit an den verschiedenen Versionen von „Baby Driver“ beendet, wir haben noch die Blu-ray und eine 4K-Version gegradet, ein paar DVD-Extras gemacht. Es könnte aber sein, dass es im September gleich weiter geht. Das kann ich aber noch nicht erzählen, denn es steht nicht 100-prozentig.