DoP Thomas Kiennast über Emily Atefs “3 Tage in Quiberon”
von Gisela Wehrl,
Mit “3 Tage in Quiberon” reduzieren sich Regisseurin Emily Atef und Kameramann Thomas Kiennast gleich in mehrerer Hinsicht selbst: Räumlich und zeitlich auf ein intimes Kammerspiel um vier Darsteller, formal auf Schwarz-weiß mit dem monochromen Chip der ARRI Alexa XT B+W. In der Ausgabe 3/2018 sprachen wir mit dem DoP über die Dreharbeiten.
“Die Entscheidung für Schwarz-weiß ist eine Verneigung vor den großartigen Aufnahmen von Robert Lebeck”, sagt DoP Thomas Kiennast. Der bekannte Fotojournalist Lebeck fotografierte Romy Schneider unter anderem 1981 im Rahmen eines Stern-Interviews mit Michael Jürgs. Diese Interviewsituation steht im Zentrum von Atefs Film.
Lebeck hat seit den 1950er Jahren nicht nur Reportagen fotografiert, sondern auch eindrucksvolle Porträts von den ganz Großen aus Kunst und Politik: Neben Schneider, Presley, Kinski, Warhol, Beuys, Dürrenmatt genauso wie Brand, Adenauer, Rau und Schröder. Während ihrer Recherche am Drehbuch traf sich Regisseurin Emily Atef mehrfach mit diesem Chronisten der Bundesrepublik, bevor dieser 2014 starb. Von seinen Schneider-Fotos in Quiberon sind nur etwa 20 Bilder publiziert worden, Lebeck und seine Frau Cordula stellten Atef 580 weitere Bilder zur Verfügung, die zum Großteil zuvor noch nie jemand gesehen hatte.
DIE DETEKTIVIN
“Ein Geschenk!”, nennt das Atef. Lebeck hat sogar Selfies von sich und Schneider gemacht. Die vielen Bilder dokumentierten die kompletten Szenerien, wie beispielsweise in einer bretonischen Hafenkneipe, die eine Sequenz im Film einnimmt. “Die Bilder waren meine Inspiration. Ich fühlte mich wie eine Detektivin. Zur Fiktion wird der Film, weil ich nicht weiß, was sie in diesen Situationen sagen.” Neben ihren Gesprächen mit Lebeck und Stern-Reporter Jürgs recherchierte sie auch in Quiberon, wo sie unter anderem mit dem Chefkoch dort sprach, der damals schon als Assistent in der Küche gearbeitet hat.
Die Halbfranzösin Atef ist in Berlin geboren, wo sie auch seit vielen Jahren lebt – und damit wie Schneider eine Grenzgängerin zwischen diesen Ländern. “Ein Biopic ist ein ganzes Leben. Das hat mich im Film nie interessiert, 90 Minuten sind einfach zu kurz. Mich interessierte, einen Zoom ins Leben dieser Frau hinein zu machen”, sagt Atef. Dieser Zoom beschränkt sich auf Schneider, die Zeit in dem kleinen bretonischen Kurort Quiberon verbringt, um sich dort vor dem nächsten Filmprojekt ein wenig Ruhe zu gönnen.
Dort wird sie von ihrer Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) besucht. Im Interview mit “Stern”-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) und unter der Linse von Lebeck (Charly Hübner) formuliert Romy Schneider die Themen ihres Lebens. “Sie war unglücklich und müde, ein Workaholic, der die Arbeit nicht mit dem Muttersein vereinbaren konnte”, sagt Atef: „Dann ihre Kindheit, Sissi, und wie die deutsche Presse mit ihr umging. Durch die Begegnung mit diesen drei Leuten kann Romy eine Entscheidung treffen und etwas Licht am Ende des Tunnels sehen.” Dieser Bogen nach oben ist für Atef wichtig: “Wenn es nur runtergeht, interessiert mich das nicht. Ich brauche immer ein bisschen Hoffnung!”
KOMPROMISSLOSIGKEIT BEIM AUFNAHMEMATERIAL
Atef hatte bereits früh den Wunsch, auf Schwarz-Weiß zu drehen. Für ihren Kameramann Kiennast ein “sehr mutiger Schritt”: “So konnten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, auf die Sprache und die Schauspieler, so dass nichts davon ablenkt.” Das war besonders für die dargestellte Epoche relevant, findet Kiennast: “Die 80er sind insbesondere für ihre Farbigkeit bekannt, das wäre sonst alles sehr bunt geworden.” Der DoP wollte allerdings noch einen Schritt weitergehen: “Wenn man diese Kompromisslosigkeit eingeht, sollten wir sie auch beim Aufnahmematerial eingehen.“ Daher schlug er den Dreh auf der ARRI Alexa XT B+W vor.
“Das ist nur die Optik und der blanke Chip”, schwärmt Kiennast von der B&W, die er bereits von einem Werbedreh kannte. Kurz vor Drehbeginn zeigte sich allerdings, dass die B&W mit einigen Strukturen und Mustern von Kostüm und Ausstattung einen Moirée-Effekt erzeugte. “ARRI hat sehr schnell reagiert”, sagt Kiennast, deren Team installierte eine Beta-Version der Software und baute zusätzlich einen Lowpass-Filter ein, der bei der B&W ebenfalls zunächst nicht vorhanden gewesen war.
“Der Moirée-Effekt ist ein rein physikalisches Problem, das unter bestimmten Bedingungen immer auftreten kann”, sagt Manfred Jahn, Head of Camera bei ARRI Rental München: “Wir wollten bei der Kamera diese extreme Schärfe erzielen, denn softer machen kann man sie immer.” Ausstattung und Kostüm wiesen beim Quiberon-Projekt viele feine Strukturen auf, so dass dieses Phänomen ab und an auftrat.
Der Lowpass-Filter, der noch unter einem Weichzeichner liegt, bleibt nun erst mal in den B+Ws. “Die Sonderfälle, die beim Dreh auftreten können, lassen sich durch Tests gar nicht alle abklären – erst recht nicht bei so einem Nischenprodukt”, sagt Jahn, “Darum ist es gut, wenn die Kunden von ihren Erfahrungen berichten. Dann reagieren wir schnell.” Im fertigen Film ist der Effekt nun überhaupt nicht mehr zu sehen, sagt Kiennast.
ANALOGER LOOK
Die Schärfe der Kamera stellte Kiennast zudem vor eine inhaltliche Herausforderung: “Die ALEXA Monochrom liefert eine extreme Schärfe mit einem unglaublichen Schwarz, ähnlich einer Leica mit Schwarz-Weiß-Film. Dieses plastische Bild ist unheimlich schön – passte nur überhaupt nicht zu unserem Film.” Denn angelehnt an die Lebeck-Fotografien zielte der DoP auf einen sehr harten, körnigen Look ab: “Mit den digitalen Kameras hast du für einen klassischen Film Noir-Look zu viel Spielraum im Grau.”
Daher probierte er beim Masken- und Kostümtest zahlreiche Farbfilter aus und verwandte beim Dreh insbesondere Gelb und Orange: “So analog und einfach wie das Interview und das Kammerspiel ist, so analog sollte auch die Technik dahinter sein!” Zunächst hatte er überlegt, zusätzlich Weichzeichner einzusetzen, um der digitalen Schärfe entgegenzuwirken, die Entscheidung für den Retrosatz der HAWK V Plus Vintage’74 machte dies allerdings überflüssig: “Die Hawks produzierten einen wunderschönen analogen Look der 80er.” Im Grading wurde zusätzlich noch ein leichtes Korn auf den Film gerechnet, dieser Key war bei dem Wiener Postproduktionshaus Listo aus analogem 35-mm-Filmmaterial erstellt worden.