Hier nun der zweite Teil unseres Gesprächs mit dem DoP und Steadicam-Operator Michael Laufer aus unserem Heft 6/2018.
Wenn man so viel Wert auf präzise Abläufe legt und so klare Vorstellungen vom Ergebnis hat: Wie ist dein Verhältnis zum Schnitt?
Ich glaube, jeder engagierte Kameramann hängt an fast jedem seiner Bilder, auch wenn er natürlich weiß, dass eine Auswahl getroffen werden muss. Die liegt sehr gut in anderen Händen, denn natürlich ist der Schnitt des Filmes eine ganz eigene Kunst, die ich sehr achte. Ich hatte seit Ende der 1990er Jahre einen eigenen, nonlinearen Schnittplatz, auf dem auch meine eigenen Produktionen geschnitten wurden. Ich hätte aber nie mein Material selbst schneiden wollen. Rein technisch wäre das kein Problem gewesen, aber es tut dem Film gut, wenn die Cutterin unvoreingenommen an das Rohmaterial herangeht und schließlich eine ganz neue Abfolge der Sequenz entsteht, eine andere, als ich es beim Drehen im Sinn hatte und sehr oft einfach noch überzeugender.
Wenn du heute ein digital gewonnenes Bild mit einem analogen Filmbild vergleichst, wie geht es dir da?
Ich finde es wirklich schade, dass es diese fantastische Bildqualität einer ARRI ALEXA nicht schon vor 20 Jahren gab. Ich hätte mit großer Freude damit gearbeitet. Es ist schon sagenhaft, was da an Bildqualität zu sehen ist. Es ist ja lange kein elektronisches Verfahren an die Güte und Aufzeichnungsparameter von Film herangekommen. Wir alle sind ja in den letzten Jahrzehnten einen steinigen Weg gegangen: Über U-matic, Betacam, Betacam SP bis hin zu Digibeta, IMX und wie die Formate alle hießen. Mir zeigte sich der “Fortschritt” in den 80er Jahren in Form einer Sackkarre, auf der eine 1-Zoll-MAZ zusammen mit dem Tonmischpult und einer Autobatterie verzurrt war. An der Kamera musste ich Konvergenz und Weißabgleich mit dem Schraubenzieher einstellen. Bis zur Digibeta war es ein weiter Weg, und auch hier hat man den Unterschied zum Film sofort gesehen.
Hast du als Kameramanns eine besondere Ethik?
Ethik ist sehr ein großes Wort. Verantwortung passt besser. Die Verantwortung für das, was ich da drehe, war mir sehr wichtig. Schließlich wird das, was ich da gerade aufnehme, später vielen Millionen Menschen zugänglich gemacht. Meine Arbeit war für mich, ich rede hier von Magazinbeiträgen und Dokumentationen, insofern auch immer journalistisch geprägt. Ich empfinde da so etwas wie eine Fürsorgepflicht, und ich mochte mich nicht als jemand verstehen, der Bilder liefert und achselzuckend sagt, der Redakteur wollte das so. Aber das kann man sicher auch ganz anders sehen und jeder muss sich da seinen Weg suchen. Handykameras und das Internet eröffnen ganz selbstverständlich Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar waren. Sie haben den arabischen Frühling möglich gemacht und verbinden Menschen rund um den Globus. Aber es gibt auch die im Vorbeigehen gefilmten Verkehrstoten und alles Mögliche andere, das hemmungslos Minuten später im Internet weltweit präsentiert wird. So hat jeder mit Youtube und den Social Media seinen eigenen Sender und kann verbreiten, was er gerade für sehenswert hält, auch Propaganda. Für mich hat uns da etwas überholt, dem wir so schnell gar nicht nachkommen. Ich bin gespannt und besorgt zugleich, wie sich die Dinge entwickeln.
Hast du in deiner aktiven Zeit auch Leute ausgebildet?
Natürlich habe ich mit vielen Kamera- und Steadicam-Assistenten zusammengearbeitet, die meisten freiberuflich, etliche hatte ich auch über längere Zeit angestellt. Ich selbst kam als 16-jähriger zum Fernsehen. Meine einzige Erfahrung waren Normal-8-Filme, mit einer Bolex gedreht und nicht unbedingt preisverdächtig. Aber ich bin auf Menschen getroffen, die mich gefördert und bestärkt haben. Sie haben mir die Chance gegeben, mich zu beweisen und sich für mich eingesetzt. Ohne sie hätte ich nicht mit gerade mal 22 Jahren für das ZDF drehen dürfen, ohne sie hätte ich meinen Weg so nicht beschreiten können. Ein sehr erfahrener, wohlwollender und wirklich guter Kameramann, Horst Molitor, war da mein Lehrer und Förderer. Seine Kritik, ob Lob oder Tadel, war immer klar, direkt und eindeutig. Das hat mir mehr geholfen als alles andere auf meinen Weg. Das habe ich nicht vergessen und wollte etwas davon zurückgeben.
Wie lief das konkret ab?
Ich fand es immer gut, wenn Fragen über Fragen kamen. Wenn jemand auch hinterfragt hat, wie ich die Bilder gestalte oder mit dem Licht umgehe. Natürlich tauscht man sich über alles Mögliche aus, wenn der eine lernen möchte und der andere Interesse am Lehren und Weitergeben hat. Dabei diskutiert es sich oft leichter über technische Fragen wie Kontrastumfang, Schärfentiefe oder Gamma als über gestalterische Aspekte. Bei der Technik reden wir über definierte Zahlen, bei der Gestaltung über Gefühl, Geschmack, Ästhetik, und da muss letztlich jeder seinen eigenen Weg finden. Ich habe versucht, in meiner Kritik klar, aber nicht verletzend zu sein. Meist ist es wohl gelungen, manchmal wohl auch nicht, und dafür bitte ich um Nachsicht
Wie vermittelt man Dinge, die dem Geschmacksurteil unterliegen?
Letztlich geht es doch darum, den Blick zu schulen und auf das Gefühl zu vertrauen. Die letzte Instanz ist immer der Blick durch den Sucher. Was ich da sehe, muss mir gefallen und zum Betrachten einladen. Ich habe da eine interessante Erfahrung gemacht. Parallel zu meiner Arbeit als Filmkameramann beim ZDF habe ich in München an der TU Maschinenbau studiert. Nach dem Diplom habe ich für zwei Jahre als Referent am Medienzentrum einer Universität gearbeitet und unter anderem Lehrveranstaltungen zu Filmgeschichte und Filmgestaltung gegeben. Ich kam ja aus der Praxis und habe mich deshalb sehr intensiv mit den ganzen theoretischen Grundlagen der Bildgestaltung und Wahrnehmungsphysiologie beschäftigen müssen. Das war durchaus interessant, wurde aber für mich als Kameramann zu einem Problem. Denn beim Drehen war ich total verkopft, traute meinem Gefühl nicht mehr und habe jedes Bild mit dieser ganzen Theorie auf seine Tauglichkeit abgeklopft und überprüft. Kurz: Ich war blockiert, und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder unbefangen und meinem Gefühl folgend drehen konnte. Ein gutes Bild spricht nicht den Kopf, sondern das Herz an, und das habe ich immer versucht weiterzugeben und zu diesem Weg ermutigt. Heute hat sich der Weg zum Kameramann wohl gewandelt. Es gibt inzwischen hervorragende Schulen und Hochschulen, und ich habe große Achtung, wenn ich sehe, was die Absolventen leisten. [5260]
Den ersten Teil des Interviews können Sie hier lesen.