Wer mit dem Urheberrecht und den damit verbundenen Regelungen richtig umzugehen weiß, kann daraus finanzielle Vorteile ziehen. Uwe Agnes zeigte in unserer Ausgabe 6.2018 an Material aus den 1920er Jahren, wie das praktisch bei seiner Doku über Flugpionier Günther Plüschow aussah.
Üblicherweise wird man mit dem eigenen moralischen Kompass, sofern vorhanden, ganz gut durch das tägliche Leben kommen, nirgends anecken, niemandem schaden und keine Straftaten begehen. Etwas komplizierter wird es schon mit prinzipiell trivialen Tätigkeiten wie der Teilnahme am Straßenverkehr. Wer hier nicht Bescheid weiß oder Vorschriften bewusst missachtet, muss zahlen – wenn man denn erwischt wird.
Die Kenntnis und nicht zuletzt die korrekte Auslegung der Gesetze kann aber auch ganz andere finanzielle Dimensionen annehmen als ein Bußgeld wegen Falschparkens, so etwa in der Filmproduktion beim Urheberrecht, wie ein Beispiel aus der Praxis zeigt.
Wir produzieren im Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders eine 45-minütige Dokumentation über den beinahe vergessenen Flugpionier Gunther Plüschow und seine Abenteuer in Patagonien. Auf seiner ersten Expedition hatte Plüschow einen abendfüllenden Dokumentarfilm gedreht, von dem wir Ausschnitte verwenden wollen. Eine Anfrage beim Bundesarchiv ergibt, dass dort eine 35-mm-Kopie vorhanden ist. Als Rechteinhaber wird der Sohn des Abenteurers genannt. Dieser möchte pro Minute verwendeten Films eine beträchtliche Summe sehen, die das Budget ziemlich ausreizt. Schade, denn nun werden wir uns im Schnitt sehr beschränken müssen, was dieses historische Material angeht.
Was sagt das Gesetz?
Aber ist die Auskunft des Bundesarchivs überhaupt korrekt? Wir greifen ins Regal und studieren aufmerksam den Gesetzestext.
Zunächst einmal ist es wohl grundsätzlich in Ordnung, dass der Sohn in Hinsicht auf das Urheberrecht am Dokumentarfilm als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Eltern auftritt, denn das Urheberrecht und die damit verbundenen Nutzungsrechte, die im Gegensatz zum Urheberrecht selbst veräußert werden können, sind im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge übertragbar. Als der Vater starb, ging das Urheberrecht auf die Ehefrau über und nach deren Tod auf das einzige Kind.
Allerdings gilt das Urheberrecht nicht bis ans Ende aller Tage. Vielmehr gibt es eine Frist, die zwar mit 70 Jahren relativ großzügig bemessen, aber eben doch nicht unendlich lang ist. Diese Frist beginnt am 1. Januar des Jahres, nach dem der Betreffende verstorben ist.
Nun wissen wir aus unserer Recherche mittlerweile auswendig, dass Gunther Plüschow auf seiner zweiten Patagonien-Expedition am 28. Januar 1931 mit seinem Heinkel-Doppeldecker über dem Lago Argentino abstürzte und dabei ums Leben kam. Die 70-Jahre-Frist begann also am 1. Januar 1932 und endete am 31. Dezember 2002. Mithin sind Urheberrecht und die verbundenen Nutzungsrechte erloschen und wir dürfen im Prinzip das Material ohne die Zahlung von Lizenzgebühren verwenden.
Doch bevor wir uns offiziell freuen dürfen, nicht nur eine beträchtliche Summe eingespart, sondern auch große Freiheit im Schnitt gewonnen zu haben, ist noch eine Besonderheit des Urheberrechts bei Filmwerken zu berücksichtigen. Denn, so sagt der Gesetzestext, haben “mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werkes.” Das ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil bei solchen Werken mit mehreren Miturhebern die 70-Jahre-Frist erst nach dem Tod des letzten Miturhebers beginnt.
Allerdings zeigt die Recherche, dass Gunther Plüschow den Film als Urheber allein verantwortet hat, unter anderem auch als als Regisseur und Autor. Da es sich um einen Stummfilm handelte, gibt es auch keinen Filmkomponisten, der zu berücksichtigen wäre. Es bleibt also beim berechneten Ablauf der Frist, was die Erben und deren Vertreter zwar nicht erfreut, aber sportlich hinnehmen.
Leistung schützen
Damit sind aber längst noch nicht alle juristischen Stolpersteine aus dem Weg geräumt. Es müssen nämlich noch eventuell vorhandene Leistungsschutzrechte berücksichtigt werden. Diese dienen, wie der Name nahelegt, dem rechtlichen Schutz von erbrachten Leistungen – etwa dem Drucken eines Buches, Pressen einer Schallplatte oder Erstellen einer DVD.
Zum Sichten der Original-Dokumentation haben wir eine DVD benutzt, die aus dem abgetasteten Ursprungsmaterial hergestellt wurde. Obwohl wir diese DVD ordnungsgemäß erworben haben, dürfen wir sie natürlich nicht einfach für den Schnitt verwenden, weil dadurch die Leistungsschutzrechte verletzt würden – von grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Qualität einmal ganz abgesehen. Diese Rechte haben zwar auch eine beschränkte Geltungsdauer, nämlich 50 Jahre nach der ersten Veröffentlichung der entsprechenden Leistung – aber diese Frist ist bei der DVD natürlich längst noch nicht abgelaufen.
Anders sieht das bei der 35-mm-Kopie im Bundesarchiv in Potsdam aus. Der Dokumentarfilm wurde 1929 erstaufgeführt, dementsprechend galten die Schutzrechte für die technische Erstellung des Films nur bis 1980. Ob man in der Folge das rechtefreie Filmmaterial selbst abtasten lässt oder die Leistungsschutzrechte an einer schon bestehenden Abtastung erwirbt, ist dann letztlich nur noch ein Rechenexempel und eine Frage der Verhandlung. [5187]
Ich habe mal gehört, das die Fristen für den Ablauf bei Rohmaterial bzw. einzelnen Einstellungen kürzer ausfallen, als wie in diesem Fall bei gestalteten Beiträgen. Ist da richtig?
Hallo Herr Braack,
diese Unterscheidung zwischen Rohmaterial und geschnittener Footage ist mir im Zusammenhang mit Urheberrechts-Laufzeichen nicht begegnet. Grundsätzlich muss Material, bei dem das Urheberrecht greifen soll, eine “persönliche, geistige Schöpfung” der Kamerafrau oder des Kameramanns sein. Wenn das nicht zutrifft, können jedoch immer noch Leistungsschutzrechte greifen, für die andere Laufzeiten als für das Urheberrecht gelten. Vielleicht waren das die unterschiedlichen Fristen, von denen Sie gehört haben?
Beste Grüße,
Uwe Agnes
Ich habe mal gehört, das die Fristen für den Ablauf bei Rohmaterial bzw. einzelnen Einstellungen kürzer ausfallen, als wie in diesem Fall bei gestalteten Beiträgen. Ist da richtig?
Hallo Herr Braack,
diese Unterscheidung zwischen Rohmaterial und geschnittener Footage ist mir im Zusammenhang mit Urheberrechts-Laufzeichen nicht begegnet. Grundsätzlich muss Material, bei dem das Urheberrecht greifen soll, eine “persönliche, geistige Schöpfung” der Kamerafrau oder des Kameramanns sein. Wenn das nicht zutrifft, können jedoch immer noch Leistungsschutzrechte greifen, für die andere Laufzeiten als für das Urheberrecht gelten. Vielleicht waren das die unterschiedlichen Fristen, von denen Sie gehört haben?
Beste Grüße,
Uwe Agnes