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Interview mit Pepe Avila del Pino

In jeder Lichtstimmung

Wer das aktuelle Seriengeschehen verfolgt, stolpert in schöner Regelmäßigkeit über seinen Namen, plattformübergreifend auf Cinemax, Netflix, HBO und Amazon Video. Wir trafen uns für die Ausgabe 6/2018 in Bydgoszcz mit Pepe Avila del Pino zum Gespräch.

(Bild: Ernest Kaczynski)

Wenn man von Nachwuchstalenten spricht, dann kommt man an der Blitzkarriere von Pepe Avila del Pino nicht vorbei, der direkt nach dem Studium bereits ein prestigeträchtiges Serienprojekt nach dem anderen dreht. Egal worum es sich handelt, er erweist sich jeder Aufgabe nicht nur als gewachsen, sondern (er)findet für jede eine eigene, darauf abgestimmte Ästhetik.

Del Pino ist freundlich, aufgeschlossen und bescheiden, er stürzt sich mit der gleichen Neugier in jede Geschichte. Die Sicherheit, die er dabei ausstrahlt, ist bemerkenswert, allein das Nachtleben von Bydgoszcz hat ihn vorübergehend ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Wir gratulieren zum gelungenen Karrierestart, der unter anderem die Aufgabe den Piloten für HBOs „The Deuce“ zu drehen beinhaltete, der hier beim Camerimage-Festival im Wettbewerb lief.

Danke sehr, ich bin sehr glücklich daran beteiligt gewesen zu sein, auch weil ich mit Leuten zusammenarbeiten durfte, die ich verehre. David (Simon) und George (Pelecanos) sind sowas wie die besten TV Autoren überhaupt, und plötzlich arbeite ich für sie. Ich hab wirklich Glück gehabt.

Und dazu noch unter der Regie von Michelle MacLaren.

Ja, und Michelle – wir sind wirklich gute Freunde geworden. Ich liebe sie. In vielerlei Hinsicht war es, als wäre ein Traum wahr geworden.

Wie geht man an die Aufgabe heran, das New York der 70er Jahre auferstehen zu lassen?

(klatscht in die Hände) Es war wirklich schwer. Wenn man in New York ist, egal wo man auch steht, dann ist links von dir zum Beispiel ein Citi Bike Verleih, guckst du nach rechts ist dort ein Geldautomat oder eine Filiale der Chase Bank. Und es gibt Bäume. In den 70er Jahren gab es keine Bäume in New York! Es war also wirklich schwer, Orte zu finden, wo wir das alte New York nachstellen konnten. Das meiste davon entstand in Harlem. Dort fanden wir zwei Blocks von denen wir das meiste zeigen konnten, aber nicht alles; denn in die eine Richtung waren keine Gebäude mehr oder etwas anderes war im Weg. Wir waren also sehr eingeschränkt, mussten sehr präzise sein und alles genauestens vorbereiten, wohin wir sehen konnten, und wohin nicht.

Aber die Bäume sind ein Problem. (lacht) Überall sind Bäume! Das Production Design Departement war großartig, Beth (Mickle, Production Designerin) hat sich darum gekümmert. Natürlich haben wir auch viele Filme aus den 70er Jahren angesehen, die in New York spielen, „Taxi Driver“ (1976), „The French Connection“ (1971), „Panic in Needle Park“ (1971).

„Serpico“ (1973)?

Ja, dabei ging es in erster Linie um Texturen. Michelle und ich waren uns schnell einig, dass wir nicht die Kameraarbeit dieser Filme nachstellen wollten. Wir wollten nicht diese Zoomfahrten und Ästhetik übernehmen, sondern zeitgemäßer, modern sein, weil es sich ja auch in unserer Geschichte widerspiegelt.
Da war etwas, das mir beim ersten Lesen des Drehbuchs hervor stach: Jeder der Charaktere hat ein Doppelleben mit zwei Gesichtern. Wenn sie draußen sind, tun sie so als seien sie jemand, aber kaum sind sie mit sich allein, dann sind sie etwas anderes. Candy begegnet man zuerst als Prostituierte, dann begreift man, dass sie eine Mutter ist, Vince und Frankie sind nicht nur Zwillinge, sie führen alle ein eigenes Doppelleben. Alle machen sie auf nett. C.C. ist der nette, lustige Zuhälter, bis er es nicht mehr ist.
Es gibt einen Film, der für mich zur Referenz geworden ist – und für Michelle, denn er hat ihr auch gefallen: „In the Mood for Love“ (2000). Damit haben wir gearbeitet und die Charaktere in Türrahmen eingerahmt, von einem ins andere Zimmer gefilmt, ebenso die Kameraführung und Bewegung. Das war unser Hauptbezugspunkt.

Nur ohne die Zeitlupen-Aufnahmen.

Genau.

Eine Szene, nach der ich fragen muss, ist die Frühstücksszene im Diner, mit all den Zuhältern und Prostituierten, das Blocking und die sich verschiebenden Achsen – weil alles wie aus einem Guss fließt, man aber nie den Überblick verliert, obwohl man das Ensemble gerade erst kennenlernt – ein Meisterwerk.

Und das ist Michelle! Vom Fleck weg wusste sie genau, was und wie sie es machen wollte, wie sich die Kamera zu bewegen hatte. Als wir erstmal das Diner gefunden haben, war es wie du meintest (klatscht in die Hände) – viel Tische rücken. Die waren nicht da, wo wir sie haben wollten. Es ging darum, wie wir den Raum und die Charaktere einführen, so dass es nahtlos ineinander übergeht, man von einem Fleck zum nächsten weiter wandert. Und wir hatten sehr wenig Zeit dafür – ich glaube wir drehten vielleicht einen halben Tag dort, für die ganze Szene.

Die ganze Szene?

Ja, denn danach mussten wir noch schnell woanders hin, es war ziemlich hektisch, sehr hektisch. (lacht) Du hast Recht, es ist eine tolle Szene, und es war klasse. Viele Skizzen und Gekritzel, von hier nach da, dann gehen wir hier rüber, und es könnte funktionieren, oder auch nicht – es hat Spaß gemacht.

Mich hat sie sehr beeindruckt – mehr als die diesbezüglich viel diskutierte Szene im Dragonpit aus der letzten „Game of Thrones“ Staffel.

Danke sehr, es freut mich, dass es jemand zu schätzen weiß! (lacht)

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Den zweiten Teil des Gesprächs mit  Pepe Avila del Pino können Sie hier lesen.

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