Wir trennen Müll, nutzen Energiesparlampen und achten auf Kühlschränke mit toller Ökobilanz. Zuhause. Am Set sieht es noch anders aus. Zwar gibt es Produktionen, die nachhaltig arbeiten. Deren länderübergreifende Förderung steckt noch in den Kinderschuhen. Birgit Heidsiek ist Herausgeberin des Magazins Green Film Shooting und sagte uns in der Ausgabe 3/2018, wo Luft nach oben ist.
Die nachhaltige Filmproduktion nimmt in Deutschland langsam Fahrt auf, aber es fehlt noch am nötigen Verständnis und umweltfreundlichen Alternativen auf dem Markt. Energieeffiziente LED-Stufenlinsenscheinwerfer, Hybrid-Generatoren, CNG-Fahrzeuge und kompostierbare Materialien für den Deko-Bau sind entwickelt und erprobt, werden aber bisher kaum vorgehalten.
“Wenn wir uns dazu entschließen würden, Filme nachhaltig zu produzieren, könnte unsere Branche innerhalb von zwei Jahren grün umgestellt werden”, erklärt der deutsche Regisseur Lars Jessen, der beim Dreh von Kinofilmen wie “Dorfpunks”, aber auch bei Fernsehauftragsproduktionen auf grüne Produktionspraktiken setzt. Die Entscheidung, grün zu drehen, könne in einer Produktion nur von oben getroffen werden. “Produktionsleiter, Regisseur und Hauptdarsteller müssen davon überzeugt sein”, sagt Jessen.
Während zahlreiche Maßnahmen wie Fahrgemeinschaften, Mülltrennung oder der Einsatz von energiesparenden LEDs kosteneffizient sind, ist ein Dieselgenerator günstiger, als für einen kurzen Dreh einen Festnetzanschluss am Motiv legen zu lassen. “Das ist natürlich auch eine finanzielle Entscheidung”, sagt Jessen, der selbst oft mit mit knappen Etats auskommen muss. In Deutschland verlangen die Fernsehanstalten bisher nicht, dass Produktionen nachhaltig hergestellt werden und geben auch keine Anreize dafür. “Ein wichtiger Punkt ist, dass wir das grüne Drehen in die Kalkulationsverhandlungen mit den Fernsehsendern hinein nehmen.”
Bisher wird eine nachhaltigere Produktion erst von wenigen Sendern finanziell unterstützt. Ein Vorreiter in diesem Bereich ist der Pay-TV-Sender Sky mit der Endzeit-Serie “Acht Tage”, die letzten Sommer unter der Regie des Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher in Berlin und Umgebung gedreht worden ist.
Bei “Acht Tage” war die Erhaltung der Erde auch hinter der Kamera ein Thema. Zum grünen Maßnahmen-Katalog gehörten Müllvermeidung durch Ausgabe von Mehrwegbechern, Wasserspender und Trinkflaschen für jedes Teammitglied, eine digital verschickte Dispo mit einem täglichen Umwelt-Tipp sowie Second-Hand-Kleidung für die Schauspieler, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Bildung von Fahrgemeinschaften. Das Produktionsbüro wurde mit Ökostrom gespeist und am Set wurde möglichst Strom vom Festnetz bezogen. Der Dieselgenerator, auf den nicht komplett verzichtet werden konnte, verfügte über einen Rußpartikelfilter.
Die Tage der Dieselgeneratoren, die bislang keiner Abgaskontrolle beim TÜV unterzogen werden müssen, sind allerdings gezählt. Denn die Schadstoffe, die ein herkömmliches Dieselaggregat generiert, entsprechen der Euro 2-Abgasnorm aus dem Jahre 1996. In Köln sind Dieselgeneratoren bereits verboten, sofern eine Produktion länger als drei Tage an einem Standort dreht. Ab drei Tagen rechnet es sich finanziell, einen Festnetzanschluss am Motiv legen zu lassen.
UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN
Alternative Lösungen zum umweltschädlichen Dieselgenerator gibt es, aber sie werden bisher nicht von den Equipment-Verleihern angeboten, weil es keine Nachfrage danach gibt. Die Baubranche arbeitet bereits mit einem smarten Mobilhybrid-Generator, der seine Energie aus einem integriertem Batteriespeicher bezieht, welcher über das bestehende Stromnetz aufgeladen wird, durch Photovoltaik-Module ergänzt werden kann und erst bei längerer Volllast den Dieselgenerator dazuschaltet, was zu einer erheblichen Einsparung von CO2 und schädlichen Abgasen führt.
Eine durchschnittliche Filmproduktion benötigt maximal 40 kWh. Der Dieselgenerator läuft am Set oftmals mit voller Leistung, selbst wenn nur 20 Prozent der Energie benötigt werden.
Für die Rental-Firmen rechnet sich eine Anschaffung von Hybrid- oder umweltfreundlichen CNG-Generatoren bisher allerdings nicht, da dies mit Kosten verbunden ist, welche sich durch die marginale Nachfrage der Film- und Fernsehproduktionen kaum refinanzieren lässt. Die Produktionen setzen angesichts ihrer knapp kalkulierter Margen auf die kostengünstigste Energie. Sofern Sender und Förderungen die Einhaltung von Umweltauflagen fordern und finanzieren würden, ließe sich diese Problematik lösen.
Ein weiterer zentraler Bereich, in dem schädliche CO2-Emissionen erzeugt werden, ist der Transport.
Aufgrund des Fördertourismus in Deutschland, der aus dem regionalen Standortwettbewerb resultiert, pendeln viele Produktionen von Nord nach Süd und Ost nach West, um die an die Fördermittel gekoppelten Wirtschaftseffekte zu erzielen. Dabei werden Ressourcen in Form von Diesel förmlich verbrannt. Während Elektroautos aufgrund der geringen Reichweite und schweren Batterie keine Alternative dazu darstellen, erweist sich das CNG (Compressed Natural Gas) mit 99 Prozent weniger Ruß, 80 Prozent weniger Kohlenwasserstoffen, 70 Prozent weniger Stickoxiden und 50 Prozent weniger Kohlenmonoxid als eine wesentlich umweltfreundlichere und kostengünstige Lösung.
“Das Biomethangas ist mit umgerechnet 75 Cent pro Liter nur halb so teuer wie Diesel”, betont der Nachhaltigkeits-Experte Philip Gassmann, der einen CNG-betriebenen LKW bei der Constantin-Produktion „Sauerkrautkoma“ eingesetzt hat. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), die seit 2011 ein Gütesiegel für umweltbewusste Dreharbeiten vergibt, hat mit der Vergabe des 100. Grünen Drehpass an diese bayerische Produktion ein Zeichen gesetzt. “Nur gemeinsam und länderübergreifend können wir etwas bewegen und Produktionsabläufe ökologischer gestalten”, erklärt Maria Köpf, Geschäftsführerin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.
Bei einem Treffen der Förderinstitutionen Ende November 2017 haben die Länderförderer, die FFA und BKM in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt, dass Mehrkosten durch umweltfreundliches Drehen in die Kalkulation der Herstellungskosten aufgenommen werden können. Die Förderinstitutionen erkennen diese Kosten im Rahmen ihrer Richtlinien an und finanzieren sie im Falle einer Förderung anteilig mit, so dass umwelt- und klimafreundliche Aspekte in der Filmproduktion stärker berücksichtigt werden können.
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Grün ist eben nicht immer gut, günstig erst recht nicht. Z.B. LED! Die Farbwerte lassen sehr zu Wünschen übrig und die Augen gehen kaput. Halogen ist da besser. So kann wahrscheinlich alles andere auch zerpfückt werden.
Warum wird aus Allem immer so ein Ding gemacht. Das wir bei Filmproduktionen auf die Umwelt achten ist doch selbstverständlich. Da gibt es eigentlich keinen Unterschied zum Alltag. Dazu muss man sich dann nicht Ökofilm oder green cinema nennen.
“Ein wichtiger Punkt ist, dass wir das grüne Drehen in die Kalkulationsverhandlungen mit den Fernsehsendern hinein nehmen.” – Das hört sich für mich nur nach reichlich Bürokratie an.