Wie überstehen Rentals die Krise? Mit Günter Neuhaus vom Ludwig Kameraverleih und Niels Maier von Maier Bros. sprachen wir über den Shutdown, ihre Planungen für den Neustart und mögliche Learnings.
Ein beruhigendes Signal ist, dass beide Gesprächspartner erst nach einigen Versuchen für ein Telefoninterview zur Verfügung stehen können. In beiden Häusern wird offensichtlich noch viel kommuniziert – mit Kunden und Kollegen. Gibt es trotz allem aktuell noch Kundenanfragen? „Wegen der Kurzarbeit ist hier natürlich auch die Ressource Zeite begrenzt und wird entsprechend gut genutzt“, erklärt Günter Neuhaus, Berliner Niederlassungsleiter beim Ludwig Kameraverleih. Natürlich werde auch viel mit den Kunden kommuniziert. Der Shutdown bedeute ja nicht, dass Herstellungsleitungen und Produktionsleitungen jetzt nicht mehr arbeiten. Gerade wegen der Drehpausen müsse viel geplant und abgestimmt werden.
„Wir haben hier einen ,Tatort‘, der von seinen 23 Drehtagen 14 geschafft hatte. Die Kollegen stehen jetzt natürlich vor der Frage, wann was weiter gedreht werden kann und fragen sich ,Drehe ich die Waldszenen im Herbst?‘ Dann sieht der Wald anders aus als im Februar“, gibt Günter Neuhaus ein Beispiel. Aber die von Ludwig betreuten Drehs seien natürlich auf ein Minimum reduziert. „Wir haben hier in Berlin einen treuen Kunden, der für Phoenix produziert. Die hatten noch einmal Technik abgeholt. Aber das eigentliche Rentalgeschäft ist weitgehend zum Erliegen gekommen“, bekräftigt Neuhaus.
Niels Maier, Inhaber und Geschäftsführer beim Filmgeräteverleiher Maier Bros., ist in einer ähnlichen Lage: „In dem Moment, wenn eine Produktion wieder Fahrt aufnimmt, werden wir wieder anfangen zu arbeiten. Aber wir planen nicht ins Blaue hinein. Wir leben hier unter dem Konjunktiv. Man weiß nicht, wie die Politik entscheiden wird“, sagt Maier.
Bei Maier Bros. wurden zehn Produktionen gestoppt. Eine Produktion habe das Equipment gleich auf den LKW gelassen, um möglichst sofort weitermachen zu können und rechnet mit einer Wiederaufnahme Ende Mai. „Ich glaube aber nicht an einen Jump Start. Unsere zehn liegengebliebenen Produktionen werden nicht auf einen Schlag wieder loslaufen. Das wird langsam vonstatten gehen“, schätzt Niels Maier die Zukunft ein.
Streaming als Nische?
Während klassische Produktionen ruhen, wird allerorten gestreamt: Dj Sets aus den geschlossenen Clubs, Theateraufführungen und Opern aus stillgelegten Theatern und Konzertsälen, Lesungen und Kabarettaufführungen – alles ohne Publikum. Entsteht aus diesem Streaming-Boom ein bescheidenes Nischengeschäft für die Rentals?
„Da hatten wir kurz Hoffnungen, haben dann aber festgestellt, dass da zumeist mit eigenen Bordmitteln produziert wird“, bedauert Neuhaus. Diese Produktionen würden oft nicht mit professioneller Technik realisiert, sondern mit Webcams oder Smartphones. Zudem sei die IT-Technik nicht mehr so komplex. “Wir reden ja nicht von hochwertigem Broadcasting, von IP Streaming”, sagt der Ludwig-Niederlassungsleiter.
Auch für Maier Bros. entwickelt sich bisher kein Neugeschäft aus dem Streaming-Hype. „Leider wird da oft im Homeoffice produziert. Kein Licht, keine Bühne. Jemand stellt die Kamera auf und streamt. Für uns als Licht- und Bühnenspezialisten sehe ich da keine Möglichkeit“, stellt Niels Maier klar. Macht es trotzdem Sinn, jetzt spezielle Streaming-Technik ins Portfolio der Rentals aufzunehmen? „Was die Technik angehe, kann ich da aktuell keine Konsequenzen ziehen, etwa à la: ,Es wäre gut gewesen, jetzt 20 Streamingeräte in der Leihe gehabt zu haben.‘ Da müssen und können wir an unserem Portfolio wenig ändern“, betont Günter Neuhaus.
Und auch Niels Maier ist skeptisch. „Wir haben Ausstattung mit einem Neu-Versicherungswert von 8 Millionen Euro im Portfolio und 35 Beschäftigte, die alle Licht und Bühne können. Da wäre es schwierig, jetzt so zeitnah ein neues Geschäftsfeld aufzumachen. Das geht erstens nicht so schnell und zweitens sind da andere Mitbewerber in einer besseren Startposition“, winkt der Maier Bros.-Geschäftsführer ab.
Unterstützungsmaßnahmen
Stattdessen werden bei Maier Bros. jetzt liegengebliebene Projekte angepackt oder Strukturen und Prozesse verschriftlicht, um die Arbeitsabläufe in den fünf Standorten weiter zu harmonisieren. Informationsablagen und Kommunikationswege würden standardisiert, so Maier.
Auch werde das Nachhaltigkeitsprojekt Pappstyros, eine umweltfreundliche Alternative zu Styropor-Bounceboards jetzt an den Start gebracht, ebenso wie der umweltfreundliche Hybrid-Stromerzeuger MB-Filmhybrid 100, für den man jetzt Fördergelder beantragen will. Green Rental ist auch für Günter Neuhaus ein Thema, das nun verstärkt angegangen wird.
Welche Unterstützungsmaßnahmen haben die Rentals inzwischen in Anspruch genommen und wie wirken die? Bei Ludwig hat man Kurzarbeit beantragt, baut Überstunden und Resturlaub ab und beschäftigt sich mit den betriebsinternen Prozessen. „Wir sind aber – toi, toi, toi – noch so gut aufgestellt, dass durch die Kurzarbeit in Verbindung mit noch laufenden Serien noch ein Income da ist“, freut sich Günter Neuhaus.
Auch bei Maier Bros. ist das Kurzarbeitergeld eine wichtige Stütze. Zudem hat Niels Maier die NRW Soforthilfe 2020 in Anspruch genommen. „Das waren 25.000 Euro, die wir sehr schnell bekommen haben. Als erste Gehhilfe war das Geld gut, doch es verpufft bei unseren monatlichen Fixkosten um die 250.000 Euro wie ein Regentropfen auf einem heißen Stein“, beschreibt Maier die Situation.
Auch ein Förderdarlehen bei der KfW hat er beantragt, das der Bund zu 90 Prozent absichert. Seinem Antrag hat er einen Finanzbedarf zugrunde gelegt, der von einem dreimonatigen Stillstand und einem sich daran anschließenden langsamen Hochfahren ausgeht. Der große Haken solcher Darlehen, nicht nur für die Rentals: Während sie den Firmen jetzt die Liquidität sichern und Zusammenbrüche verhindern, schreiben sie ihnen gleichzeitig für die Zukunft gewaltige Verbindlichkeiten in die Bücher. „Das wird uns alle während der nächsten, vielleicht sogar 10 Jahre begleiten“, ist sich Niels Maier sicher. [12611]